Ende 2009 waren beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte rund 120.000 Beschwerden
anhängig. Großen Anteil an dieser Beschwerdeflut haben massenhafte Parallelverfahren also
tatsächlich und oder rechtlich gleichgelagerte Fälle die in strukturellen Dysfunktionen der
nationalen Rechtsordnungen wurzeln. Als Reaktion auf die zunehmende Arbeitsbelastung durch
Parallelverfahren hat der Gerichtshof bereits im Jahr 2004 völker(verfahrens)rechtliches
Neuland betreten und erstmals ein Piloturteilsverfahren eingeleitet. Seither haben die
Straßburger Richter mehrfach und in verschiedenen Varianten auf diese neue Verfahrensweise
zurückgegriffen. Gleichwohl ist deren Entwicklungsstand bis dato allenfalls als embryonal zu
bezeichnen. Die Arbeit untersucht Theorie und Praxis solcher Musterverfahren und lotet ihre
Probleme und Perspektiven als prozessuale Strategie im Kampf gegen Parallelverfahren aus.