1. Das Interesse an cler Lebensphilosophie Die Lcbensphilosophie die um die Jahrhundertwende
und bis in die zwanziger Jahre hinein in einem Brennpunkt des philo sophischen Interesses
gestanden und uber den engeren philo sophischen Fachbereich hinaus auch eine breitere
Offentlichkeit beschaftigt hatte ist in der letzten Zeit stark in den Hintergrund getreten.
Vor allem die neuere Existenzphilosophie schien das in der Lebensphilosophie Erstrebte in einer
vertieften und radikali sierten Weise aufzunehmen und fortzufUhren. Von hier aus ge sehen
erschien die Lebensphilosophie als das noch ungeklarte V or stadium das seine Aufgabe erfUllt
hatte und wieder verschwinden konnte sobald jene entschiedenere Form hervorgetreten war. Ins
besondre schien die von HEIDEGGER und seiner Schule entwickelte daseinsanalytische
Fragestellung mit ihrer klar ausgearbeiteten Begrifflichkeit geeignet dasjenige scharfer Zu
fassen was in der Lebensphilosophie selber in einer gewissen gedanklichen Un bestimmtheit
geblieben war. Daruber hinaus erschien das opti mistisch-vertrauensvolle Verhaltnis in dem die
Vertreter der Lebensphilosophie sich von einem umfassenden Seinsgrund getra gen und in ihm
geborgen fuhlten als eine kindliche Illusion gegen tiber all den Enttauschungen gegenuber all
den Angsten und Ver zweiflungen durch die unsre Generation seit 1914 hindurch gegangen ist
und auch insofern schien die Existenzphilosophie mit ihrer Betonung der hoffnungslosen
Ungeborgenheit des menschlichen Daseins die tiefere und echtere Seinserfahrung Zu enthalten. So
ist es zu verstehen daB sich innerhalb der Philo sophie wie auch in der breiteren
Offentlichkeit das Interesse von der Lebensphilosophie abwandte.