Die bis in unsere Gegenwart hineinreichende Gewissheit dass es sich bei ästhetischer Praxis um
die Praxis von Künstlern und die Wahrnehmung von Kunst durch ein Publikum handeln müsse ist
brüchig geworden. Eine Reihe von Indizien legen den Schluss nahe dass der Bereich ästhetischer
Praktiken und das Kunstfeld in der Gesellschaft eine nur noch partiale Deckung aufweisen.
Beispiele für ästhetische Praktiken finden sich in der Mode der Werbung und dem Design ebenso
wie in den neuen Medien sowie in der Musik- und Videospielindustrie. Aber auch Kosmetik-Ketten
und Parfümerien Schönheitschirurgen Tätowierungsshops Büros für Inneneinrichtung- und
Landschaftsarchitektur Blumenläden sowie Wellnessbetriebe annoncieren ihre Produkte und
Dienstleistungen als ästhetisch. Angesichts des sowohl rasant steigenden Gebrauchs des
Adjektivs ästhetisch in der alltäglichen Lebenspraxis als auch des vermehrten
wissenschaftlichen Bedürfnisses das Ästhetische an (bis dato) unverdächtigen Stellen in der
Gesellschaft nachzuweisen sind die Beiträge dieses Bandes entlang einer Leitfragestellung
organisiert: Soll man das verstärkte Aufkommen ästhetischer Praktiken in der Gesellschaft in
einer eher kulturwissenschaftlichen und -soziologischen Perspektive verstehen und also als eine
Selbstentgrenzung der Künste? Oder zieht man dazu besser eine zwar nur äußerst selten
gebrauchte nichtsdestotrotz ebenso einprägsame wie aufschlussreiche Formel Adornos heran und
begreift die Ästhetisierung der Gesellschaft als eine Entkunstung der Kunst?