Wissenschaftlicher Aufsatz aus dem Jahr 2016 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche
Literatur Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover (Deutsches Seminar) Sprache: Deutsch
Abstract: Erpenbecks Roman reiht sich in eine jahrhundertelange Tradition der literarischen
Darstellung von Kriegs- und Fluchterlebnissen ein. Als pensionierter Altphilologe hat Richard
die zentrale Figur ein besonderes Interesse daran in Vergangenem und Gegenwärtigem
Gemeinsamkeiten zu entdecken. Außerdem sucht er neue Betätigungsfelder. Die Suche führt ihn
schließlich zu den afrikanischen Flüchtlingen die sich auf dem Alexanderplatz in Berlin
versammelt haben um anonym gegen ihre Abschiebung zu protestieren. In Homers Odyssee glaubt er
einen Schlüssel für das Verhalten dieser Männer gefunden zu haben. Man kann Richard als
literarische Doppelfigur auffassen: halb sinnsuchendes Individuum halb Symbolfigur die
versucht zwischen verschiedenen Welten eine Brücke zu schlagen. Im Mittelpunkt des Geschehens
stehen Flüchtlingen aus verschiedenen afrikanischen Ländern. Richard nimmt Kontakt zu ihnen auf
und befragt sie nach ihren Erlebnissen. Stellvertretend für viele andere werden in diesem Teil
Apoll aus Niger Tristan aus Ghana und der Blitzeschleuderer aus Nigeria vorgestellt. Richard
unterstützt seine Schützlinge tatkräftig kann aber nicht verhindern dass eine ganze Reihe von
ihnen abgeschoben werden. Der Text enthält sich gegenseitig durchdringende auktoriale und
personale Erzählanteile. Durchgehend wird das Präsens (Präsens historicum) verwendet. Viele
Passagen werden aus der Sicht Richards erzählt. Sie stehen zumTeil in der erlebten Rede und
erinnern an die Erzähltechnik eines Bewusstseinsromans. Der Roman bietet keine geschlossene
kontinuierliche Gesamthandlung sondern besteht aus miteinander verflochtenen Einzelhandlungen
oder Handlungssträngen die in Richard gespiegelt und durch collage- oder montageartig
eingeschobene Zwischenteile angereichert werden. Die jungen Afrikaner berichten als
Ich-Erzähler ihre bisherigen Lebens- und Fluchtgeschichten wobei Richard versucht gedankliche
Verbindungslinien zwischen ihrer einstigen und der neuen Umgebung bzw. ihrer und seiner eigenen
Gegenwart und Vergangenheit zu ziehen. Im Unterschied zum rein fiktionalen Erzählen wird das
Faktische und Dokumentarische besonders hervorgehoben. Außerdem enthält der Text eine große
Bandbreite von Gebrauchstexten wie Namenlisten Einkaufslisten Preisangaben Notizen
Internettexte Lexikoneintragungen usw. die den dokumentarischen Charakter unterstreichen.