Das zeitgenössische Musiktheater zeichnet sich durch äußerst heterogene Themen Stile und
Arbeitsprozesse aus. Das Libretto und seine musikalisch-theatrale Umsetzung sind ein Merkmal
für diesen Formenpluralismus. Das wirft grundsätzliche Fragen hinsichtlich der
Begriffsbestimmung auf. Was verstehen wir unter einem zeitgenössischen Libretto? Auffällig ist
dass der Libretto-Begriff schwer mit einer zeitgenössischen Musiktheaterpraxis zu vereinbaren
ist denn das Libretto wird gewöhnlich mit Werken des 18. und 19. Jahrhunderts assoziiert. Dies
bringt auch der Großteil der Forschungsliteratur zum Ausdruck. Das zeitgenössische Libretto
jedoch basiert nicht zwingendermaßen auf Kategorien wie Narration und Figurenrede sondern auf
einer vielfältigen individuellen sowie kollektiven Ästhetik und Produktionsweise. Anhand von
fünf Beispielen aus dem deutschsprachigen Musiktheater werden Begriffe vorgeschlagen die die
nicht-narrativen experimentellen Strukturen des zeitgenössischen Librettos auf textlicher
musikalischer szenischer und produktionsbezogener Ebene beschreiben. Das Buch reiht sich dabei
in aktuelle Debatten rund um das Verhältnis von Schriftlichkeit und Performanz ein und schließt
eine Lücke innerhalb der Librettoforschung indem es sich dem Libretto aus der Perspektive der
Aufführung nähert. Das Buch untersucht "Oceane" von Detlev Glanert Hans-Ulrich Treichel
"Violetter Schnee" von Beat Furrer Händl Klaus "Benjamin" von Peter Ruzicka Yona Kim
"Diodati. Unendlich" von Michael Wertmüller Dea Loher und "Banuta" von Alfreds KalninS HAUEN
UND STECHEN.