Frachtbriefe sind Dokumente die der Zweifel begleitet ob auch drinnen ist was oben steht.
Hier geht es um Autor:innen österreichischer Gegenwartsliteratur: Welche Vorstellungen von
Weltliteratur im Allgemeinen welche Vorstellungen vom Österreichischen und welche
gesellschaftspolitischen Problemlagen transportiert ihre Lektüre in mitteleuropäische
Literaturlandschaften - und welche Institutionen des literarischen Lebens befördern dort ihre
Rezeption? Die Vielfalt des Bandes mutet seinen Leser:innen den Zweifel zu inwieweit der so
unüberschaubare Container mitteleuropäische Kultur vertrauenswürdig ist und welche
Zusammenhänge und offensichtliche Zusammenhangslosigkeiten aus dem Verzeichnis seiner Inhalte
entstehen.Aus dieser Skepsis stellt der Band zunächst möglichst allgemeine
Überblicksdarstellungen zu einzelnen Ländern gegenüber. Ungarn rezipiert eine klassische
österreichische Moderne schon während der kommunistischen Zeit. Fast gleichzeitig ergänzt
zeitgenössische österreichische Literatur dieses Repertoire aus einem ästhetischen Interesse
das nach der politischen Wende wirksam bleibt am intensivsten vielleicht bis ungefähr 2010. In
der Ukraine und in Belarus begleitet zugleich ein nationales Interesse die Rezeption
österreichischer Literatur vergleichsweise stark bis heute: Im Ansatz wirkt die Abgrenzung des
Österreichischen vom Deutschen als Modell der eigenen Abgrenzung zum Russischen entsprechend
wird nach 1991 auch eine aktive Übersetzungspolitik verfolgt. Im Vergleich zu Ungarn zeigt die
Rezeption in diesen Ländern vielleicht auch mehr Merkmale einer kleinen Literatur: Sie ist z.
B. weniger an die Wirtschaftsinteressen etablierter Verlage geknüpft und stärker an ein
literarisches Leben gebunden das sich in individuellen Initiativen Literaturveranstaltungen
und Lesungen äußert. Aber selbst in Bulgarien das weniger historisch-nationale
Berührungsflächen mit Österreich hat als Ungarn oder auch die Ukraine ist eine Vielfalt der
Rezeption österreichischer Gegenwartsliteratur von einigen Verlagen und Literaturportalen
getragen und keineswegs nur auf in Österreich kanonische Autoren beschränkt.Selbst in einzelnen
mitteleuropäischen Ländern für sich ist das jeweilige Interesse an österreichischer
Gegenwartsliteratur sehr unterschiedlich gelagert. Es richtet sich auf einen Bestandteil von
Weltliteratur ebenso wie auf eine sehr spezifisch österreichische Tradition oder ganz bestimmte
Autor:innen und ihre Themen. Daraus ergibt sich die Frage wie solche unterschiedlichen
Interessenslagen sich jeweils mit der Institutionalisierung des Literaturbetriebs verbinden. In
den Blick kommen dabei jeweils prägende Verlage Theater oder Literaturzeitungen die auf
Weltliteratur das Österreichische oder einen sehr spezifischen Dialog spezialisiert sind. Hier
setzen die Beiträge auch den Einfluss diverser Literaturfestivals von Tagen zur
österreichischen Literatur oder wissenschaftlicher Konferenzen recht hoch an. Als wirklich
zentral erscheint aber nicht nur sprachlich sondern auch institutionell die Vermittlung von
Übersetzer:innen. In einigen Fällen sind es richtige Literaturtandems die einer Rezeption den
Weg ebnen: Das gilt etwa für Ernst Jandl und István Eörsi für Thomas Bernhard Peter Handke
oder Elfriede Jelinek und Dezsö Tandori sowie Barbara Frischmuth und Imre Kertész in Ungarn das
gilt auch für Maja Haderlap und Stefan Vevar in Slowenien oder Michael Stavaric und Radka
Denemarková in Tschechien und es gilt für Friederike Mayröcker und Fedia Filkova sowie Thomas
Bernhard und Vladko Murdarov in Bulgarien.Der konkrete Rezeptionsprozess des jeweiligen Landes
vermischt Interessenslagen auf sehr spezifische Weise. Das zeigt sich an einem Beispiel wie
Peter Handke: Die Rollen die er als Nobelpreisträger und Autor der Weltliteratur als
Repräsentant einer spezifisch österreichischen Literatur und als Exponent einer Diskussion um
die Kriege im ehemaligen Jugoslawien spielt prädestinieren ihn für un