Jedes Werk in deutscher Sprache als deutsche Literatur zu bezeichnen ist kultur- und
literarhistorisch keineswegs haltbar. Die Geschichte eines Landes sowie dessen politische und
kulturelle Eigenart schlagen sich in entscheidendem Maße auch in seiner Literatur nieder. Nicht
anders verhält es sich mit der österreichischen Literatur. Oder um es mit den Worten Ingeborg
Bachmanns zu formulieren Dichter wie Grillparzer und Hofmannsthal Rilke und Robert Musil
hätten nie Deutsche sein können. Beginnend mit den ersten deutlichen Äußerungen eines
Österreich-Begriffes als staatspolitisches Konzept im 17. Jahrhundert bis herauf in die
Gegenwart liegt mit diesem Werk erstmals - in dieser literatursoziologisch fundierten Art -
eine umfassende Geschichte der österreichischen Literatur vor. Für den interessierten Laien
ebenso wie für Fachleute aus der Wissenschaft gut lesbar aufbereitet erfassen Klaus Zeyringer
und Helmut Gollner Formen Strukturen Funktionen und Evolutionen des literarischen Lebens in
Wechselbeziehung zu gesellschaftlichen Realitäten im Österreich der letzten 350 Jahre und geben
erhellende Einblicke in die anerkannt wichtigen wie auch in weniger bekannte Werke - so
spannend und aufschlussreich kann Literaturgeschichte sein. Man kann in diesem Buch
nachschlagen man bereut aber auch nicht es vom Anfang bis zum Ende gelesen zu haben. Mit
analytischer Schärfe und Freude am Erzählen zeichnen Klaus Zeyringer und Helmut Gollner zwei
der besten Kenner der Materie die lange und komplexe Geschichte der Literatur des
österreichischen Kulturraums nach. So vieles das es wert wäre gekannt und gelesen zu werden
wurde vom norddeutsch-preußisch geprägten Kanon ignoriert und in die Vergessenheit gedrängt
hier findet man es. Eine erstaunliche Leistung und ein zukünftiges Standardwerk. Daniel
Kehlmann