Es sind Tausende Kinder die von den 1950er Jahren an bis in die späten 1980er Jahre an die
Innsbrucker Kinderbeobachtungsstation gelangten. 3.500 als erziehungsschwierig und
verhaltensauffällig geltende Kinder - vorwiegend aus Tirol Vorarlberg und Südtirol - wurden
von den Jugendämtern den Heimen und Schulen aber auch von Eltern und Pflegeeltern an die
psychiatrische Station gebracht. Über mehrere Wochen bis Monate mussten sie sich in der
geschlossen geführten Station aufhalten: zum Zweck der Beobachtung Behandlung und
Begutachtung. Betroffen waren vor allem Kinder die aus unterschiedlichen Gründen in die
Aufmerksamkeit der Kinder- und Jugendwohlfahrt geraten waren darunter überwiegend Kinder aus
sozial benachteiligten Haushalten. Aber auch bildungsbürgerliche Eltern vertrauten ihre Kinder
zuweilen der im katholisch-wertkonservativen Nachkriegstirol höchst einflussreichen
Psychiaterin und Heilpädagogin Maria Nowak-Vogl an. Ungeschützt waren sie an der Station einer
gewaltvollen Straf- und Korrekturpädagogik drastischen medizinisch-psychiatrischen Kuren wie
insgesamt einer aggressiven Pathologisierung ihrer Lebens- Gefühls- und Körperwelten
ausgesetzt. Meist verließen sie die Station mit einem psychiatrisch-heilpädagogischen Gutachten
das durch sein abwertendes - einem überkommenen Diagnoseinventar entlehntes - Vokabular im
geringsten Fall kränkend war im weit häufigeren Fall ihr weiteres Leben aber maßgeblich
bestimmte. Für mehr als tausend Kinder bedeutete dies erstmals oder erneut in ein
Erziehungsheim zu kommen oder anderweitig fremduntergebracht zu werden. Zahlreiche Quellen und
bisher unveröffentlichte Fotos und Materialien stellen die Grundlage der empirischen
Untersuchung dar stiften neue Zusammenhänge und eröffnen unerwartete Kontextualisierungen. Die
Perspektive der ZeitzeugInnen - ehemalige PatientInnen an der Kinderbeobachtungsstation - und
deren Aussagen erweisen sich als substanziell für das Verständnis der Rolle der
historischenKinderpsychiatrie und Heilpädagogik in der Region und darüber hinaus. Ihnen kommt
das letzte Wort in diesem Buch zu.