Postheroische Gesellschaften setzen nicht mehr ihren Helden Denkmäler sondern ihren Opfern.
Gleichzeitig interpretieren sie den Begriff Opfer nicht mehr religiös er bezeichnet passives
Erleiden und weniger einen bewussten Akt von Aufopferung und Hingabe. Was bedeutet diese
Wendung des Motivs für zentraleuropäische Kulturen? Wodurch wird das Opfer-Motiv kulturell
zugleich besonders attraktiv und gefährlich? Die tatsächlich zu Opfern gewordenen Menschen
prägen fast nie jene Mythen die vordergründig von Opfer-Erfahrung erzählen. Opfermythen sind
vielmehr Projektionsflächen: Sie entstehen wo eine Gesellschaft die Erinnerung an eine
Verlusterfahrung verallgemeinert. Durch die Identifikation mit der Figur des Opfers machen sich
vorgeblich Machtlose zu denen die zurecht Forderungen stellen. Im Extremfall eignen sich
Gründungsmythen die Opferrolle an deuten traumatische Erfahrung um und nehmen dem
individuellen Opfer damit seine Geschichte. Wenn sich solche Opfermythen erst einmal im
kollektiven Gedächtnis festgesetzt haben sind sie kritischen Deutungen gegenüber äußerst
resistent.