Anna Baars Klagenfurter Rede ist eine zornige Bestandsaufnahme der Gegenwart zugleich ein
vehementes Plädoyer für eine »Sprache der Hoffnung« und das Empowern der Kinder - und eine
Auseinandersetzung mit der Namensgeberin des bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur zu
verleihenden Ingeborg-Bachmann-Preises und ihrem viel zitierten Satz »Die Wahrheit nämlich ist
dem Menschen zumutbar«. »Ingeborg Bachmann [...] prägte den Satz von der Wahrheit. Ich nehme
den Satz zurück. Er taugt aus dem großen Ganzen ihrer Gedanken gerissen nicht einmal mehr als
Klospruch. Zu viele die ihn jetzt zur Verfechtung von vermeintlichem Wissen missbrauchen das
sie zusammensammeln indem sie nicht nach Wahrheit sondern Bestätigung ihrer Vermutungen
suchen. [...] Fakten werden ersetzt durch wohlfeile Alternativen. Wo etwas Zumutung ist nennt
man es heute Lüge.«Schritt für Schritt durchwandert Anna Baar mit Bachmanns Jugend in einer
österreichischen Stadt im Kopf die Stadt K. und überprüft gewissermaßen die Gültigkeit des über
60 Jahre alten Textes - Leisetreten die »Schule des Anstands« Kinderschänder Kriege ...
vieles noch oder wieder da dazu der allgegenwärtige »Normalisierungsterror einer
Leistungsgesellschaft« keine wirklich optimistisch stimmenden Bedingungen für eine starke neue
Generation. »Kindsein hieß mitunter am Baum der Erkenntnis zu rütteln obwohl man mit jedem
Mal da seine Fünffingerfrüchte auf einen niedergingen ein Stück weit vom Glauben abfiel. Die
Wahrheit gehörte dem der am längeren Ast saß.«Mit Gert Jonke schlägt Anna Baar die Kurve
zurück zum Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb geht auch mit dem Literaturbetrieb scharf ins Gericht
erteilt der »Weißbrotliteratur ohne besonderen Nährwert« eine Absage und öffnet Perspektiven
für ein Schreiben das Vernunft nicht gegen Mitfühlen Fiktion nicht gegen Wirklichkeit
ausspielt.»Im Sog eines Fortschrittsdenkens dessen Wahrheitsbegriff sich nach Marktlogik
richtet hat der Geschichtenbetrieb die Sprache zur Ader gelassen. Es scheint heute fast obszön
schreibend über die Ufer des Alltagsgeplappers zu treten. Man schreibt lieber nach der Rede als
nach der Schrift zu reden um nicht als bemüht zu gelten oder als rückwärtsgerichtet. Dabei
gilt der Jugendjargon manchen als Nonplusultra.«»Vielleicht ist alles so wie Ingeborg Bachmann
sagte: eine Frage der Sprache. [...] Vielleicht bleibt uns nur die Dichtung zur Wahrheit
vorzudringen. Es bräuchte dafür allerdings eine Sprache der Hoffnung. [...] Ich fordere Sie auf
den Kindern Geschichten zu geben aus denen sie Lehren ziehen und sich aufrichten können
Geschichten die sie ermutigen das Leben anders zu denken.«