"Ich verdanke alles in meinem Leben der Literatur die ich mir als Blüte am Ast eines Baumes
vorstelle. Einerseits ermöglicht sie die Fortpflanzung der Ideen und doch fällt sie bei einem
Unwetter als erste ab." Wie ist das Verhältnis zwischen Literatur und Realität? Welchen
Stellenwert hat Literatur? Kann sie von der Vergangenheit befreien indem sie ihre
Ungeheuerlichkeiten zur Sprache bringt oder bleibt sie nur ihr hilfloser Zeuge? Muss sie stumm
werden angesichts des Grauens oder kann sie gar etwas retten? Gibt es eine Sprache die aus dem
Kreislauf von Gewalt herausführt einen "Knopf der die gewaltauslösende Maschinerie in und
zwischen uns ausschalten könnte"? Über Fragen wie diese denkt Tanja Maljartschuk in ihrer
Klagenfurter Rede nach während sie erzählt: von Aglaja Veteranyi und einem Bachmann-Wettbewerb
von ihrem jüngsten Roman der "im Februar des letzten Jahres für immer unvollendet geblieben"
ist vom Holocaust in der Ukraine und von russischen Soldaten die 80 Jahre später an der
Grenze des Landes nicht haltmachten vom Krieg vom Schreiben in Auseinandersetzung mit
Wirklichkeit von Vertrauensverlust vom Zweifeln ¿ "Im Jahr 2023 fürchtet sich eine Autorin
vor der Sprache" - und letztlich doch nicht Verstummen: Denn wenn Literatur auch "schön aber
hilflos wie ein Wald der blühenden Bäume" ist so kann sie vielleicht doch dies: "Den Opfern in
dunklen Tälern eine Stimme geben beim Schreien und beim Schweigen zuhören sie stärker machen
damit die Umbringer Auslöscher Verbrecher und Gauner all jene die überzeugt sind mehr
Recht zu haben und besser zu sein als die anderen endlich nicht mehr die Oberhand behalten."
In diesem Sinn ¿ zuhören hinschauen ¿ hat die bildende Künstlerin Valentyna Pelykh für die
gedruckte Fassung von Tanja Maljartschuks Klagenfurter Rede sieben Linolschnitte nach einer
Fotoserie von Danil Pavlov geschaffen die Gesichter von Ukrainern und Ukrainerinnen zeigen
die durch russische Raketen und Geschosse verletzt wurden.