Er schrieb über die Unentbehrlichkeit der Kultur über himmlische und irdische Liebe über
Interieurs großen Stil und über die Kostbarkeiten des Lebens. Er ergründete die Kunst des
Traums dramatisches und episches Sterben die Lichtmalereien der Avantgarde und die
Psychologie des Komforts. Aus seinen Kunstkritiken Feuilletons und Briefen spricht - nicht
minder wie aus seinem erzählerischen Werk - ein Mensch von hoher Bildung und Sinnesart. Eduard
von Keyserling ist als Feuilletonist und Kritiker nicht annähernd so bekannt wie er es
verdient. Daraus resultiert das Glück ihn mit Band 3 der großen Schwabinger Werkausgabe nun
als vielseitig interessierten Kunst- und Literaturliebhaber Theatergänger und Zeitdiagnostiker
entdecken zu können. In seinen nichtliterarischen Prosatexten spiegeln sich die Dekors der
Prinzregentenzeit das bunt schillernde Geistes- und Kulturleben um 1900 Impressionismus
Symbolismus Jugendstil und die Feuergarben der Avantgarde. Ob er die Goldgeschmeide Carl
Strathmanns würdigt die gleißenden Farbenspiele des frühen Kandinsky oder Alfred Kubins
«Kalligraphie des Gespenstischen» Keyserlings ästhetisches Sensorium für die Modernen steht
dem für die alten Meister - allen voran Tizian und Dürer - in nichts nach. Die Kritiken selbst
oft kleine Prosakunststücke zielen weit übers bloß Ästhetische hinaus ins Seelenkundliche
Weltanschauliche mitunter Politische. Mit luzidem Blick zeichnen sie die geistige Physiognomik
einer bewegten Epoche. Neben den Feuilletons enthält dieser mit 35 Bildtafeln bestückte Band
noch weitere Funde: fünf verschollene Erzählungen Keyserlings ein umfassendes Korpus an
Briefen sowie die erste ausführliche Chronik zu Leben und Werk. Dank der Fülle an erstmals
zusammengetragenen Selbst- und Fremdzeugnissen nimmt der Schriftsteller der sich zeitlebens in
nobler Diskretion übte auch als Privat- und Gesellschaftsmensch Konturen an.