Das Regierungssystem der Europäischen Union (EU) ist weiter vorangeschritten als es im
Lissabon-Vertrag geregelt ist und von der Öffentlichkeit registriert wird. Das gilt nicht
zuletzt für die Wirtschaftspolitik. Die EU verfügt nach dem Krisenjahrzehnt (2010-2020) über
alle Elemente einer wirksamen Wirtschaftspolitik: eine Institution ein Verfahren und in
Rudimenten auch die Ziele und Mittel. Im Zentrum des wirtschaftspolitischen Regimes der EU
steht der Europäische Rat der nicht nur Europas allgemeinpolitische Regierung ist sondern
auch als Wirtschaftsregierung fungiert. Vor dem Hintergrund der europäischen Verträge und
einschlägiger Berichte zeichnet der Autor die Genese der europäischen Wirtschaftspolitik nach.
Er arbeitet heraus dass der EWG-Vertrag den einzig sinnvollen Ansatz für
Wirtschaftsintegration wählte der soziale Transfers ausschließt: den Ausgleich der
Zahlungsbilanz ein Ansatz der an Keynes' Bancor-Plan angelehnt ist. Der Ansatz ging aber im
Laufe der Zeit verloren und es festigten sich extreme Überschuss-Defizit-Positionen die durch
die verschiedenen Wechselkursordnungen der Nachkriegszeit noch erhärtet wurden. Als
hochproblematisch erwiesen sich in diesem Zusammenhang die über sieben Jahrzehnte hinweg
bestehenden Handelsbilanzüberschüsse Deutschlands. Virulent war dieses Problem bis in die
Gegenwart es verursachte nicht nur die Eurokrise sondern steht auch einem erfolgreichen
Integrationsverlauf in der Zukunft im Wege. Wirtschaftspolitische Koordination in Europa wurde
bis in die jüngste Zeit einem Marktprozess überlassen den die diversen Wechselkursordnungen
nicht effektiv zu steuern vermochten. Erst die Eurokrise und die Pandemiekrise brachten mit dem
Europäischen Semester und der makroökonomischen Steuerung Elemente für eine rationale
europäische Wirtschaftspolitik. Für die Zukunft bleibt so der Autor das Problem des
Ausgleichs der Zahlungsbilanz nach innen wie nach außen. Die Europäer sollten sich von dem
bisherigen Leitbild der europäischen Wirtschaftspolitik dem Staatenwettbewerb und der
Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit verabschieden und sich auf ihr Inneres d.h. den Ausgleich
der Zahlungsbilanz und damit auf den Binnenmarkt zurückbesinnen. Das neue Leitbild erscheint
auch geeignet den politischen Integrationsprozess positiv zu beeinflussen.