In der schier unüberschaubaren Fülle der Bildwerke der gotischen Kathedralen erfahren die
steinernen Pflanzendarstellungen die die Kapitelle der Säulen Blendarkaden oder Portale
schmücken weit weniger Aufmerksamkeit als die oft überlebensgroßen Figuren. Erst auf den
zweiten Blick erschließt sich eine Welt die erstaunt und fasziniert. Die Kathedralbauer des
13. Jahrhunderts haben sich nachdem die oftmals überbordenden Figurengruppen an den Kapitellen
nicht mehr dem Geist der Zeit entsprachen der Natur zugewandt. In dem Maße wie an den
Kathedralschulen die Natur entdeckt wurde nicht zuletzt mit Hilfe der antiken Autoren deren
Schriften endlich übersetzt vorlagen begannen die Steinmetzen einheimische Pflanzen
darzustellen. Neben Pflanzen aus der Bibel spielten Marienpflanzen eine große Rolle und vor
allem auch Pflanzen die in der Heilkunde Anwendung fanden. Dass man giftigen Pflanzen eine das
Böse abwehrende Symbolik zuschrieb ist an nahezu allen gotischen Kirchen anzutreffen.
Inwieweit die Pflanzen im ikonologischen Programm des Kirchenbaus eine Rolle spielen ist noch
immer nicht restlos erforscht. Diese Fragen kann und will dieses Buch nicht klären. Es soll ein
Beitrag sein dass mit der Identifizierung und Bestimmung der Pflanzen eine Grundlage für
weitere Forschungen gegeben wird. Vielleicht stellen die steinernen Pflanzen in ihrer oft
beeindruckenden Darstellung nicht mehr und nicht weniger einen Lobpreis Gottes dar. In diesem
Buch wird untersucht wann und wo die ersten naturalistischen Pflanzendarstellungen auftauchten
wie sie sich verbreiteten und wie sie nach wenigen Jahrzehnten wieder ausklangen. Ausführlich
behandelt werden folgende Bauwerke: Die Kathedralen von Laon Paris Chartres Reims Noyon
Amiens Toul und Metz sowie die Liebfrauenkirche in Trier die Elisabethkirche in Marburg die
Dome zu Mainz Naumburg Köln Xanten Magdeburg Halberstadt Paderborn Meißen Breslau und
Freiberg sowie das Münster von Straßburg Freiburg Basel und Doberan. Darüber hinaus gibt es
Einzelkapitel zu der Templerkirche in Hof Iben der Marienkirche in Gelnhausen der
Zisterzienserkirchen in Pforta und Altenberg der Nikolaikirche in Stralsund und der
Marienkirche in Pirna.