Eine der ältesten immer noch offenen Fragen zur Backsteingotik heißt: Wann warum und auf
welchen Wegen kamen die hochgotischen Formen aus Frankreich (bzw. einer west-mitteleuropäischen
Zwischenstation) in den Ostseeraum und an welchem backsteingotischen Kirchenbau erscheinen sie
hier zum ersten Mal? Anhand bislang unbekannter oder kaum erschlossener Schriftquellen kann
Rudolf Conrades belegen dass der gotische Schweriner Dombau weit früher begonnen wurde als
meistens angenommen nämlich um 1265. Schon im Jahr 1274 hatte man in der Scheitelkapelle des
Chorumgangs einen Altar errichtet. Die analoge Scheitelkapelle von St. Marien in Lübeck war
erst im Jahr 1291 fertiggestellt: 17 Jahre nach dem Schweriner Pendant.Weiterhin belegt
Conrades dass Bischof Rudolf I. von Schwerin im Jahr 1262 in Paris von König Ludwig IX. dem
Heiligen einen Dorn aus der Dornenkrone Christi als Geschenk für den Schweriner Dom bekam als
er sich gemeinsam mit dem Königspaar von England fast zwei Monate lang in der Pariser Abtei
Saint-Germain-des-Prés als Gast aufhielt. Ebendort fand am 6. Oktober 1262 in Gegenwart der
Königspaare von Frankreich England und Navarra die Hochzeit einer Nichte des englischen Königs
mit dem Braunschweiger Herzog Albrecht I. statt bei der Bischof Rudolf von Schwerin den
abwesenden mit ihm befreundeten Herzog vertrat.Zwischen Ludwig dem Heiligen und dem Bischof
muss es während des langen Parisbesuchs zu recht engen Kontakten gekommen sein denn der
französische König übertrug nur an Empfänger die ihm persönlich und oder politisch besonders
wichtig waren einen Dorn aus der Dornenkrone für deren Verehrung er eigens die
Sainte-Chapelle hatte erbauen lassen.Aus der Sainte-Chapelle stammte nicht nur die Schweriner
Dornenreliquie von dort stammten auch bestimmte Bauformen die sich am Schweriner Dom
wiederfinden lassen. Auch andere Pariser Kirchenbauten haben diesen Dombau beeinflusst so die
Kathedrale Notre-Dame die während der Französischen Revolution abgerissene
Franziskaner-Klosterkirche Marie-Madeleine und nicht zuletzt die Abteikirche von Saint-Denis.
Deren Einfluss zeigt sich besonders in der Gestaltung des Schweriner Querhauses - neben dem
Kölner Dom der einzige dreischiffige Querhausbau an einer deutschen Kathedrale. Warum
Saint-Denis? Dort waren die karolingischen Vorfahren Ludwigs des Heiligen bestattet die
zugleich auch die Vorfahren Heinrichs des Löwen waren - des in Schwerin hoch verehrten
Domgründers. Im letzten Kapitel des Buches setzt sich der Autor in ausführlichen
Quellenuntersuchungen mit der Datierung einiger Schwesterkirchen des Schweriner Domes
auseinander. Dies führt für den Dom und für St. Marien in Lübeck und für St. Nikolai in
Stralsund zu der Erkenntnis dass diese drei Bauten später begonnen wurden als man zurzeit
mehrheitlich annimmt - St. Marien und St. Nikolai sogar sehr viel später.