Lange Zeit galt die Hysterie als besonders gefragtes Themenfeld im Bereich der feministischen
Geschichtsforschung. Insbesondere zwischen 1975 bis 1995 widmeten sich viele Publikationen der
Frage inwieweit die Hysterie als Form des weiblichen Aufbegehrens gegen zeitgenössische
Rollenkonventionen zu interpretieren sei. Ob die Hysterie die heute nicht mehr als Krankheit
anerkannt ist als Vorläufer anderer psychischer Erkrankungen betrachtet werden kann oder ob
sie lediglich eine Art Modeerscheinung der Zeit gewesen war wurde in zahlreichen
Untersuchungen erforscht. Publikationen die anderen Fragestellungen als den üblichen
medizinisch-geschlechtlichen nachgehen sind allerdings bisher vergleichsweise selten. Ziel der
vorliegenden Arbeit ist es daher neue Blickwinkel auf das Phänomen der hysterischen Erkrankung
zu eröffnen und die juristischkriminalistischen Aspekte im Zusammenhang mit der Hysterie näher
zu beleuchten. Inwiefern änderte sich die rechtliche Stellung einer Frau nach erfolgter
Diagnose? Hatte die medizinische Einschätzung nachteilige Folgen im Falle eines laufenden
Verfahrens? Inwieweit schränkte es die juristischen Möglichkeiten der Betroffenen für ihr
weiteres Leben ein? Anhand psychiatrischer Gutachten straffälliger hysterischer Frauen aus dem
19. und 20. Jahrhundert aus der Landesheilanstalt Marburg werden diese und andere Fragen
beantwortet wobei ein besonderes Augenmerk darauf gelegt wird nach welchen medizinischen
Deutungsmustern die hysterische Erkrankung erfasst wurde und was die Diagnose im Hinblick auf
die Zurechnungsfähigkeit der Patientin aussagen sollte.