Die Musik im Altertume durch Mythen und Fabeln vergöttert fand bei den Indern als Mittel zur
Verherrlichung des Kultus im Verein mit Poesie und Tanz die erste systematische Entwickelung.
Freilich waren die harmonischen Elemente immer noch so unvollkommen dass auf Grund derselben
keine Phantasieerzeugnisse hervorgehen konnten denen man soweit sie bis jetzt der Forschung
zugänglich waren künstlerisches Maass zusprechen dürfte wenn auch die Anlage für solches
deutlich bemerkbar ist. Die Inder blieben aber trotz der Erfindung mannigfacher Instrumente bei
ihren harmonischen Elementen und unvollkommenen Konsequenzen stehen und sie haben somit in der
Musikgeschichte nur den Anspruch dass bei ihnen die ersten Anfänge unvollkommener Tonsysteme
über welche sie selbst nicht einmal einig waren zu suchen sind. Eine grössere Bedeutung als
unter den Sängern der Veda's erhielt die Tonkunst bei den Hebräern deren Lyrik in
antiphonischen Gesängen den Tempel zu Jerusalem durchtönte von wo durch Schrift und Tradition
die Weisen hineingedrungen sind in die Gemeinden Christi. Die Saiten der Davidischen Harfe
scheinen nicht mehr in rein zufälliger Ordnung oder nach subjektiver Willkür die Klangfolgen
dargestellt zu haben sondern es dringt durch alle sagenhaften sowie auch rationelleren
Überlieferungen die Einheit eines gewissen künstlerischen Prinzips als Eigentum der gesamten
jüdischen Nation. Wenn auch die althebräischen Tonweisen zugleich mit der semitischen
Tonschrift teilweise für uns verloren gegangen sind so lassen sich doch durch grammatische
Erörterungen einige Schlüsse über die Beschaffenheit harmonischer Systeme ziehen welche in den
ersten christlichen Gemeinden bald durch vollkommenere griechische ersetzt wurden obgleich die
hebräische Antiphonie nicht unterging sondern durch Regelung nach den von griechischen
Theoretikern aufgestellten Gesetzen eine höhere Bedeutung für die Weiterentwickelung der
Tonkunst erhielt. [...] Dieses Buch ist ein hochwertiger Nachdruck der historischen
Originalausgabe von 1866.