Der Mensch ist dem Menschen das Schönste und Liebste auf Erden. Der Mensch ist daher auch der
Hauptinhalt aller menschlichen Kunst. Lehrt die biblische Geschichte daß die Gottheit den
Menschen nach ihrem Bilde schuf so zeigt die Kunstgeschichte daß der Mensch sich seine Götter
nach seinem eignen Bilde gestaltete. Die künstlerische Schöpfung glaubwürdiger Idealwesen hat
die Fähigkeit wirkliche Gestalten wiederzugeben zur Voraussetzung. Diese wirklichen Gestalten
aber verstanden die Künstler zunächst nur in ihren allgemeinsten sie von den übrigen Lebewesen
unterscheidenden Zügen aufzufassen und wiederzugeben. Ein Fortschritt war es als man das
Unterscheidende verschiedener Rassen und Völker hervorheben lernte ein weiterer Fortschritt
als einzelne noch altertümliche Künstler sich einen besonderen Typus den sie bevorzugten
heranbildeten. Aber erst verhältnismäßig spät gelang es den Künstlern Europas zu sehen und
noch später es zum Ausdruck zu bringen daß kein Mensch aussieht wie der andre daß jeder
seine individuellen Züge seine eigne Haltung seinen besonderen Ausdruck hat. Es gab eine
Entwicklungsstufe der Malerei auf der die Künstler sich offenbar der individuellen
Unterschiede aller Einzelmenschen bewußt waren und danach strebten jeden mit seinen
Sonderzügen darzustellen bei der Ausführung aber unwillkürlich immer noch ihre gewohnten Typen
an die Stelle der Individuen setzten. [...] Das vorliegende Werk von Karl Woermann beschreibt
die italienische Bildnismalerei der Renaissance und ist mit über 50 historischen Abbildungen
illustriert. Dieses Buch ist ein unveränderter Nachdruck der Originalausgabe von 1906.