Kann sich ein kleines Mädchen mit Jean Gabin identifizieren? Ja wenn dieses Kind Goliarda
Sapienza heißt. Die anarchistische Ikone des französischen Kinos wird zum Alter Ego der jungen
Goliarda die seine Filme in- und auswendig kennt. Rebellisch passioniert mit einer
imaginären Zigarette im Mundwinkel streift Goliarda durch die Civita von Catania wie Jean
Gabin durch die Kasbah von Algier. Arm in Arm mit Jean tritt sie in die vor Leben sprudelnden
verrufenen lavaschwarzen Gassen ihres Viertels führt Gespräche mit philosophierenden
Prostituierten Puppenspielern Jasminhändlern und den steinernen Monstren unter den Balkonen.
Jean der Kavalier begleitet sie nach Hause zu ihrer anarchischen Familie: Goliardas Vater
der Anwalt »von den Armen geliebt von den Faschisten gehasst aber von allen gleichermaßen
respektiert und gefürchtet«. Ihre prinzipientreue Mutter die Kämpferin unter deren Ägide sich
das Haus der Sapienzas in einen Ort des Widerstands und der Gegenkultur verwandelt. Und ihre
erwachsenen Brüder und Schwestern alle grundverschieden aber fest entschlossen ihre Träume
zu verwirklichen. Ich Jean Gabin erzählt all das über ein paar Tage hinweg. Das mitreißende
Buch ist Teil dessen was Goliarda Sapienza als »Autobiografie der Widersprüche« bezeichnete.
Der beherzte freie Traum vom Sein den die kleine Goliarda mit ihrem Jean teilt veranlasst
sie schließlich zu der ersten echten Stellungnahme ihres jungen Lebens gegenüber den Normen der
Gesellschaft: »Keinen Profit aus der Reduzierung dieses Traums auf eine verkäufliche kleine
Geschichte schlagen keine Kompromisse eingehen.« Der Roman erscheint in der Reihe PERLEN.
Bedeutende italienische Schriftstellerinnen des 20. und 21. Jahrhunderts.