Action Melo und Fantasy sind zwar nicht seine Stärken doch an Unterhaltungs- und Schauwerten
hat der Dokumentarfilm mit dem Spielfilm schon lange gleichgezogen. Auch vermeintlich spröde
Themen vermag er publikumsgefällig in Szene zu setzen. Das Missverständnis der dokumentarische
Modus sei einer unkünstlerischen Wirklichkeitsabbildung und platten Sachverhaltsschilderung
verpflichtet ist ausgeräumt denn das artifizielle Spiel mit der Realität ist ebenso wichtig
wie das Thema selbst.Mit dem Zuwachs an Attraktivität und ästhetischem Prestige kann der
Dokumentarfilm seine seit je vorhandenen Kompetenzen ausspielen. Weder ist er an fixierte
Handlungsmodelle und starre Dramaturgien gebunden noch muss er den Zuschauern Konfliktlösungen
anbieten mit denen sie sich identifizieren sollen. Sein kreatives Potential liegt in der
freien Souveränität und Spontaneität gegenüber dem Sujet. Der dokumentarische Blick kann
eingefahrene Wahrnehmungsmuster aufbrechen und das herrschende Normensystem gegen den Strich
bügeln. Die Erschließung neuer Realitätsbezirke und die unterschiedlichen Strategien der
Wirklichkeitsreflexion die er in seiner über 100-jährigen Geschichte praktiziert hat
situieren den Dokumentarfilm als Archiv des kulturellen Gedächtnisses und als visuellen
Gesellschafts- und Mentalitätsspiegel.Dennoch hat die Filmgeschichtsschreibung dieses Genre in
ihr Randrevier abgeschoben weil sie Film primär als fiktionales Produkt versteht. Ein Kanon
bzw. Repertoire der bedeutendsten Dokumentarfilme ist daher nur in Ansätzen entstanden. Doch
wie die Spielfilmgeschichte stolz die Schatzkammer ihrer Klassiker öffnet so kann auch der
Dokumentarfilm seine Casablancas und Citizen Kanes vorweisen.Solche Klassiker der
deutschsprachigen Produktion einem breiten Publikum vorzustellen ist die Absicht des Buches.
Es informiert über Dokumentarfilme von den 1920er Jahren bis zur Gegenwart. Die Auswahl ist so
getroffen dass die Fülle der verschiedenen Spielarten dieses heterogenen Genres deutlich wird.
Die alphabetisch nach Titeln angeordneten Artikel bestehen aus ausführlichen
Inhaltsbeschreibungen mit interpretatorischen Akzenten und historischer Einordnung Zitaten aus
der Kritik Produktions- und Stabangaben sowie Hinweisen zu DVD-Editionen. Ein
Einführungskapitel mit einer komprimierten Dokumentarfilmgeschichte mehrere Register und ein
biografischer Anhang machen das Buch auch für den Einsteiger zum idealen
Kompendium.Audio-visuelle Medien sind fester Bestandteil der Bildungsarbeit. Dokumentarfilmen
mit ihrem analytischen Gesellschaftsbezug ist hier ein besonderer Rang zugewiesen. Diese
Publikation stellt deshalb auch für Pädagogen Historiker Soziologen und Journalisten eine
Fülle von Informationen bereit.