Ein Tagebucheintrag reduziert auf 17 Silben - was wie eine eingrenzende Fessel erscheinen
könnte erweist sich in Josef Golderers Haikus als Gegenteil. Die Begrenzung eröffnet eine
sprachliche Dichte und Tiefe und vermag so ganze Geschichten zu erzählen. Die Essenz des Tages
in ein Haiku zu fassen bedeutet genau hinzuschauen hinzuspüren das Wesentliche zu erkennen
und in sprachliche Bilder zu transponieren. Das gelingt Golderer auf fesselnde Weise. Die
Wahrnehmung der Natur im Wechsel der Jahreszeiten die Verbundenheit und Abhängigkeit der
Menschen mit und von ihr - das sind ganz elementare Erfahrungen und Fragen. Und doch lassen
sich auch sehr individuelle Momente erahnen die in den Haikus ab und an durchschimmern. Die
Auseinandersetzung mit Alter Krankheit und Tod der ewige Kreislauf von Werden und Vergehen
eine Liebesbeziehung die möglicherweise vor dem Scheitern steht Geborgenheitsgefühle und
Verlustängste - das sind zwar intime sehr persönliche Empfindungen aber letztendlich befassen
auch sie sich über den subjektiven Kontext hinaus mit ganz elementaren Fragen unseres Seins.
Der Illustrator Kornelius Wilkens hat sich Golderers Haikus künstlerisch in behutsamster Form
angenähert. Fast könnte man sagen: Seine Illustrationen sind gar keine - und eben darum groß.