Mein Gott!: Ohne besonders aufzufallen findet sich dieser Ausruf im gängigen Wortschatz von
Gläubigen ebenso wie von Agnostikern und Atheisten. Doch was bringt dieses gewohnheitsmäßige
Adressieren einer höchsten Macht der sich im Alltag die wenigsten unterwerfen mit sich? An
wen wendet man sich wenn man Mein Gott! ausruft? Denken wir dabei überhaupt an Gott? Denken
wir überhaupt an irgendjemanden? In seiner feinen von Meister Eckhart inspirierten Meditation
umkreist Jean-Luc Nancy das Adressaten und Anrufungsverhältnis von Mensch und höchstem Wesen
in dem sich der Mensch stets zur Möglichkeit Gottes macht und sich so gleichermaßen von ihm
löst. So verliert Mein Gott all seine Charakteristika eines Wesens Konzepts oder Seins und
wird zu etwas Unnennbarem das im Erstaunen oder im Schaudern bei einer Bewunderung oder einer
Bedrückung doch immer wieder angepeilt wird. Gott mag tot sein doch in dieser Anrufung bleibt
eine Denkunterbrechung aufbewahrt in der unsere intimste und ärmste Wahrheit noch einen Platz
findet.