Organisierte Religion diente zu allen Zeiten der Herrschaftssicherung. Karl Marx erblickte in
ihr zugleich den »Seufzer der bedrängten Kreatur«. Dass in der Religion auch eine wütende
Anklage stecken kann ja das über ihre Erzählungen transportierte Wissen sogar einen
Schutzschild gegen die Entstehung von Herrschaft bilden kann ist dagegen ein Wissen das
historische Befreiungsbewegungen zwar immer wieder aktualisiert haben die Forschung aber zu
vergessen droht. Rüdiger Haude rekonstruiert die herrschaftsfeindlichen Traditionen die sich
aus den Überlieferungen des richterzeitlichen Israels in das Korpus des alten Testaments
eingeschrieben haben. Belege findet er nicht zuletzt in den berühmten Erzählungen von Jonas
Seereise oder dem Turmbau zu Babel. Indem Haude die Erkenntnisse der Ethnologie zu segmentären
Gesellschaften neuere archäologische Funde und die historisch-kritische Analyse der Bibel
zusammenführt kommt er zu einem überraschenden Befund: »Hochkultur« und Anarchie sind durchaus
vereinbar - mit radikalen Folgen auch für den Blick auf unsere eigene Zeit.