Wie konnten Menschen tun was sie ihresgleichen in den ungeheuren Gewaltgeschichten der Moderne
angetan haben? Iris Därmann findet eine Antwort in der zentralen Rolle einer historisch neuen
Gewaltlust. In der transatlantischen Versklavung verband sich diese Lust an der Gewalt
unauflöslich mit der Folter der Auspeitschung. Der Marquis de Sade war über die Zustände in den
französischen Kolonien nicht nur gut unterrichtet er hat die koloniale Gewaltlust auch
literarisch sichtbar gemacht und in pornografische Praktiken verwandelt die auf die Aufhebung
der Sklaverei zielten. In Därmanns Analyse kommt Sade daher eine Schlüsselstellung zu: Sadismus
ist in dieser Perspektive eine organisierte Gewaltpraxis ein pornografisches Genre und ein
kolonialrassistischer Gebrauch der Lüste. Gegen den verharmlosenden Versuch der
Sexualwissenschaften des späten 19. Jahrhunderts »Sadismus« auf die »Perversion« von
Einzeltätern zu reduzieren untersucht Därmann augenöffnend das gezielte Wiederaufgreifen der
Peitschenfolter bei der Kolonisierung Afrikas und der Vernichtung der europäischen Jüdinnen und
Juden sie gibt dabei insbesondere jenen Raum die der sadistischen Gewalt ausgesetzt waren
sie hellsichtig diagnostiziert und sich ihr widersetzt haben. Seit den 1930er-Jahren wurde
Sadismus so auch zu einer kritischen Kategorie: Aimé Césaire Frantz Fanon Jean Améry Georges
Bataille und Pierre Klossowski fanden zurück zu Sades radikalpolitischem Projekt und stellten
sich ihm zugleich bei der Suche nach einem anderen Begehren entgegen das den menschlichen
Körper nicht zur sadistischen Beute macht.