Die Kinder unserer städtischen Gesellschaften können mehr als tausend Markenlogos erkennen
aber weniger als zehn Pflanzenblätter. Das ist nur eines von vielen Symptomen der von Baptiste
Morizot statuierten »Krise der Sensibilität«. Diese Krise hat dramatische ökologische Folgen
wie Massenaussterben oder Klimawandel um deren Überwindung die Politik sich vergeblich bemüht.
Der blinde Fleck bei all den Bemühungen um Klimaziele und Artenrettung besteht darin dass die
aktuelle ökologische Krise nicht so sehr eine Krise der Menschen auf der einen Seite und der
Lebewesen auf der anderen sondern vielmehr eine Krise unserer Beziehungen zum Lebendigen ist.
Denn in den anderen zehn Millionen Arten auf der Erde unseren Verwandten »nur Natur« zu sehen
also nicht Lebewesen sondern Dinge bloß verfügbare Ressourcen ist eine Fiktion deren Gewalt
zu den ökologischen Katastrophen der Gegenwart beigetragen hat. Es gilt einen Kulturkampf über
die Frage was Leben eigentlich bedeutet zu führen. Dafür begibt sich Morizot nicht nur ins
Dickicht des wissenschaftlichen und philosophischen Diskurses sondern auch tatsächlich in die
Wälder um die Spuren der Wölfe zu lesen. In seinem faszinierenden zwischen Erzählung Nature
Writing und philosophischem Traktat changierenden Buch gelingt es ihm den Blick für die
vielfältigen Arten des Lebendigseins zu schärfen.