Ausgehend von Daniel Kehlmanns Reise ins Silicon Valley und seinem Versuch mithilfe einer KI
eine Erzählung zu schreiben zeigt Philipp Schönthaler wie die Romantik als kulturelles
Deutungsschema selbst dort noch ihre Wirkmacht entfaltet wo die Technik am fortschrittlichsten
erscheinen will: in Visionen einer Singularität und Superintelligenz. Standen noch in den
Sechzigerjahren der in die Gesellschaft Einzug haltende Computer als Agent von Objektivität
Transparenz und Verlässlichkeit und die »Geburt der Poesie aus dem Geist der Maschine«
programmatisch für ein antiromantisches Schreiben gelten die digitalen Techniken heute
zunehmend als opak voreingenommen vor allem aber als kreativ. Denn längst hat sich der
Gegensatz verschliffen zwischen einer natürlichen Poesie die den Schreibakt in einem
lebensweltlich verankerten Ich beginnen lässt und einer künstlichen Poesie die ihn in einer
radikalen Abkehr davon an das Funktionsprinzip einer regelgeleiteten und rational operierenden
Maschine bindet. Wie aber konnte es dazu kommen dass die seinerzeit noch raumfüllenden
Apparate der Spitzentechnologie die wenig mit der Kultur der schönen Künste zu tun hatten zur
Blaupause des Schreibens wurden? Und was bedeutet es dass Computer mittlerweile weniger über
ihre logisch-mathematischen Funktionsweisen als über ein populärromantisches Muster rezipiert
werden?