Die Spinne dieses achtbeinige behaarte Wesen mit seinen rätselhaft unbeweglichen Augen das
seit mehr als 300 Millionen Jahren in Höhlen und auf Bäumen lebt hat sich tief in unseren
realen und imaginären Kellern und Dachböden - und nicht zuletzt dem Unbewussten - eingenistet.
Es ist ihr Körperbau die sie zum ganz und gar anderen Wesen werden lässt. Ganz gleich ob es
sich um Lügengewebe Hirngespinste oder Netze metaphysischer Spekulation handelt - der seidene
Faden den die Spinne aus Drüsen an ihrem Hinterteil blitzschnell abzusondern vermag
inspiriert dazu dieses Verhalten als Metapher für vielfältige und auch widersprüchliche
Praktiken zu lesen. Und so knüpft Lothar Müller in seinem assoziationsreichen Portrait ein
dichtes Netz aus erhellenden und obskuren auf jeden Fall schillernden Deutungen der
fremdartigen doch allgegenwärtigen Tiere: von Kierkegaard der mit ihnen über das Dasein
spekuliert zu Spiderman der doch nie Spinne wird von Marx der seine Arbeitswertlehre mit
Blick auf die »Spinning Jenny« die erste Spinnmaschine und auf die automatischen Webstühle
entwickelt zum Arachne-Mythos als Ursprung des Erzählens als Widerstand bis zur Künstlerin
Louise Bourgeois die sie als »Maman« in Riesenskulpturen zur großen Beschützerin werden lässt
deren Kokon Platz für uns alle bietet.