Millay Hyatt ist leidenschaftliche Zugreisende: Es ist der Reiz der »ungepolsterten Begegnung
mit der Welt« der sie noch jedes Flugzeug durch die Reise auf der Schiene tauschen lässt. Sie
weiß: In der Fremde und unterwegs sieht man anders das gilt besonders im Zug in halber
Geschwindigkeit: Das Zugfenster wird zur Verlockung an ihm laufen bewegte Bilder ganze
Landschaftsfilme vorüber. Im Wagen selbst werden wir zu Voyeuren die sich für die intimsten
Angewohnheiten unserer Mitreisenden interessieren. Wir lauschen dem Streit fremder Paare
zeichnen Psychogramme unserer Sitznachbarn. Auf Schienen kommt ein Denken in Gang das unsere
Gewissheiten stört. Als Reisende gehen wir in eine Schule der Wahrnehmung in der die eigene
Perspektive ins Verhältnis zu anderen gesetzt wird. Die Zugreise verspricht das Glück des
Aufbrechens und des Ankommens - und dazwischen die bittersüße Freude der Selbstbefragung.
Anhand ungezählter eigener Reisen zeichnet Millay Hyatt eine literarische anspielungsreiche
Kartografie der Zugreise in der die tausendfach beobachtete Dramaturgie des Abschiednehmens
ebenso zu ihrem Recht kommt wie die Verwandlung der Heimkommenden - und zugleich die Einsicht
dass das Passieren von Grenzen nicht für alle eine lustvolle Erfahrung ist.