Der Kunsthistoriker Max Imdahl unternahm vor rund 50 Jahren ein ungewöhnliches Experiment. Er
erklärte sich bereit mit Arbeitern und Angestellten der Bayer AG Leverkusen über Werke
moderner insbesondere ungegenständlicher Kunst zu sprechen. Damit verließ er das sichere'
Terrain des Universitären und begab sich in einen genuin kunstpädagogischen
Vermittlungszusammenhang der ihn als Wissenschaftler aber auch als Person durchaus
herausforderte. Statt eines Vortrags bzw. einer Führung wählte er das Format eines gemeinsamen
Gesprächs und verknüpfte die inhaltliche Auseinandersetzung mit Bildungsansprüchen. Er wendete
sich damit an ein Laienpublikum das ihn seinerseits durchaus selbstbewusst mit eigenen
Sichtweisen auf moderne Kunst konfrontierte. So waren in der Regel Imdahls Fragen an die
gezeigten Werke andere als die der TeilnehmerInnen was nicht nur ihren Blick darauf weitete
sondern auch zu Situationen fruchtbarer Reibung führte. Sechs dieser Gespräche wurden im
Anschluss an die Veranstaltungsreihe transkribiert von Imdahl sparsam redigiert und liegen
seit 1982 in dem Band: "Arbeiter diskutieren moderne Kunst" vor. Es ist angesichts des
Bekanntheitsgrades von Imdahl als kunsthistorischer Kapazität geradezu erstaunlich dass diese
Gespräche zwar in den Fachkreisen durchaus wahrgenommen wurden sie aber bislang nie Gegenstand
einer vertiefenden wissenschaftlichen Auseinandersetzung geworden sind bzw. wenig Spuren in der
Diskussion um Formate der Vermittlung von Kunst hinterließen. Das soll nun mit dieser
Publikation nachgeholt werden. Ein Glücksfall war dass im Laufe der Untersuchung unverhofft
Audiomaterial auftauchte das plötzlich die Gespräche plastisch werden ließ und völlig neue
Eindrücke vermittelte. Im Zentrum dieser Publikation soll nun eine Untersuchung dieser
Gespräche stehen wobei ein besonderes Augenmerk auf der Diskrepanz zwischen den transkribiert
vorliegenden Texten und der tatsächlichen Performance liegen wird. Vor allem hier lassen sich
jene Qualitäten auszumachen die die Gespräche von Imdahl für eine aktuelle Diskussion um eine
zeitgemäße Vermittlung von Kunst so relevant machen.