Glas (Totenglocke) im Original 1974 erschienen nimmt in Derridas Werk eine besondere Stellung
ein es ist eines seiner wichtigsten und enigmatischsten Bücher das lange Zeit keinen
Übersetzer im Deutschen gefunden hat und sich dennoch allen späteren mittlerweile recht
schnell ins Deutsche übertragenen Büchern immer schon paradigmatisch eingeschrieben hat. 'Schon
die Form von Glas weicht ab sie folgt - ohne erkennbaren Anfang ohne Ende ohne
Kapiteleinteilungen - allein einem durchlaufenden Doppelspaltenprinzip vielfach auch noch
unterbrochen durch die Eröffnung weiterer kleiner 'Fenster' im Text der also aus zwei Kolumnen
zwei Säulen zwei simultanen Texten besteht die zwei Autoren gewidmet sind die auf den ersten
Blick nichts gemeinsam haben und die zugleich zwei ganz unterschiedliche Diskurse Genres
repräsentieren: nämlich Philosophie und Literatur. Es handelt sich um Hegel und um Genet den
Denker der Familie und den Poeten der homosexuellen Liebe die aber mit dieser Porträtierung
schon einen gemeinsamen Nenner haben: die familiäre Strukturierung des Begehrens und vor allem
die Liebe von Vater und Sohn. Im Kontext dieser Genealogie geht es auch und zentral um die
unterschiedlichen Weisen der Trauerarbeit: um eine monumentale Aufrichtung des Gedächtnisses
einerseits im System der hegelschen Dialektik und um eine nie zu Ende zu bringende Zeremonie
des Abschieds um das Totenfest wie die deutsche Übersetzung von Genets Roman Pompes funèbre
lautet.' Michael Wetzel