Ausgehend von Goethes »Augengespenstern« und dem sich in ihnen artikulierenden epistemischen
Umbruch im Verhältnis von Wahrnehmung und Wirklichkeit untersucht die Studie Wahrnehmung als
grundlegendes Darstellungs- und Experimentierfeld der Literatur des Realismus. Wie die Lektüren
der Inszenierung von Wahrnehmung bei Stifter Storm und Fontane zeigen erweist sich
Wahrnehmung nicht nur als konstitutiv für Wirklichkeit sondern überdies als Schauplatz eines
Gespenstischen. Die Gespenster des Realismus - so die These - sind Gespenster der Moderne.
Nicht nur situieren die Wahrnehmungsgespenster Realismus in epistemischen Formationen der
Moderne aus ihrem Bezug zum Gespenstischen generieren realistische Texte zudem eine moderne
Poetologie. Die Studie eruiert diese Poetologie des Realismus anhand eines breiten Spektrums
von Darstellungsweisen: Formen von Serialität Wiederkehr und déjà vu Aggregate unheimliche
Stellen Nuancen Rahmensprünge Techniken der Mimikry mise en abyme-Strukturen und szenische
Akte erweisen sich als Verfahren zur literarischen Wahrnehmung von Wirklichkeit. Das Wirkliche
das sich in einem solchen Wahrnehmungsapparat generiert ist prekär: Gespenstisches macht sich
als Wirklichkeitseffekt geltend Wirkliches stellt sich als Simulakrum dar. Es scheint m.a.W.
dass sich Realismus gerade dadurch auszeichnet dass ihm 'Wirklichkeit' epistemologisch radikal
problematisch geworden ist.