Daz ist Ava: Mit dieser souveränen Selbstnennung der ersten namentlich fassbaren Frau die in
deutscher Sprache dichtete endet ein im frühen 12. Jahrhundert entstandener Bibelepikzyklus
der in seiner Geschlossenheit und Lebendigkeit seinesgleichen sucht. In einem Reigen von
Gedichten entfaltet sich ein Panorama der Heilsgeschichte: Johannes bereitet mit der
eindringlichen Darstellung des Täufers die Bühne für Das Leben Jesu in dem Christus als Mensch
und Gott im Mittelpunkt steht während Die Sieben Gaben des Heiligen Geistes auf hohem
Reflexionsniveau die geistige Vervollkommnung des Gläubigen ausloten. Handfester gibt sich Der
Antichrist der den Anbruch der Endzeit schildert bevor Das Jüngste Gericht bildgewaltig
Himmel und Hölle heraufbeschwört. Trotz ihrer steten Berufung auf Bibel und Exegese erweist Ava
sich als eigenständige Interpretin deren Schwerpunktsetzung zugunsten von Frauenfiguren und
menschlichem Mitgefühl gerade im Kontext weiblichen Schreibens fasziniert und auch heute noch
aktuell wirkt. Mit Ava: Geistliche Dichtungen liegt ihr Werk in einer am ältesten Textzeugen
orientierten Neuedition kommentiert und in vollständiger neuhochdeutscher Übersetzung vor