Der für die Begründung und spätere Ausformung der Husserlschen Phänomenologie programmatische
Text Philosophie als strenge Wissenschaft entstand in wenigen Wochen um die Jahreswende 1910
1911 und bildete die erste größere Veröffentlichung Husserls seit seinem vielbeachteten
Frühwerk den Logischen Untersuchungen von 1900 1901.Trotz der erstaunlich kurzen Zeit die er
für die schriftliche Fixierung benötigte bietet diese - erstmals in der Zeitschrift Logos
publizierte - Schrift auf beeindruckende Weise bereits einen umfassenden Überblick über die
leitenden Gedanken und Einsichten die für sein späteres Schaffen und für die Grundlegung der
phänomenologischen Philosophie überhaupt von zentraler Bedeutung waren. So entfaltet Husserl
hier Argumente von unverminderter Aktualität für die gegenwärtige Diskussion innerhalb der
Philosophie des Geistes und speziell des Bewußtseins sowie zur Bestimmung des Verhältnisses von
Philosophie und wissenschaftlicher Psychologie und Psychophysik. Aber auch sein Eintreten für
eine rationale Weltanschauung welches ihn in seiner ganzen Persönlichkeit geprägt hat kommt
in diesem Text eindrücklich zur Geltung und dürfte gerade auch in der heutigen
politisch-sozialen Situation brisant bleiben in welcher Fundamentalismen und Fanatismen
verschiedener Ausprägung oft genug ein Klima der Irrationalität schaffen das ein nach
Vernunftnormen geregeltes und verantwortetes Leben erschwert.In seiner Einleitung umreißt der
Herausgeber ausgehend von dieser Programmschrift die Perspektiven der Philosophie Husserls in
enger Rückbindung an die von diesem selbst vorgenommenen Einschätzungen seines Weges über die
insbesondere der 1994 edierte Briefwechsel Husserls erhellende Aufschlüsse gibt.