Mit seiner zweifellos wichtigsten religionsphilosophischen Abhandlung von 1806 unternahm Fichte
den Versuch seine Wissenschaftslehre einem breiteren Publikum wenigstens in ihren zentralen
Aussagen zugänglich zu machen und das Verhältnis von gelebtem Glauben und wissenschaftlicher
Reflexion zu bestimmen. Es besteht kein Zweifel daran dass der Religionsbegriff den Fichte in
seiner Anweisung zum seligen Leben entwickelt seiner eigenen Überzeugung nach identisch ist
mit dem wahren und bleibenden Gehalt der christlichen Offenbarung. Wie kommt der Mensch zu
solcher Religion?Die Tatsache dass Fichte in populären Vorträgen eine »Anweisung« dazu geben
möchte nötigt ihn das Verhältnis der Religion zur philosophischen Wissenschaft im strengen
Sinn - die hier ja nicht betrieben werden soll - näher zu bestimmen. Nicht erst durch die
Philosophie so lautet die klare Antwort kommt der Mensch zur Religion. Die Philosophie setzt
vielmehr den Besitz der Religion aufgrund des »natürlichen Wahrheitssinns« voraus um ihren
Begriff wissenschaftlich nachkonstruieren zu können.Diesen natürlichen dem gegenwärtigen
Zeitalter allerdings besonders verstellten Wahrheitssinn sucht Fichte in seinem populären
Vortrag zu wecken bzw. zu größerer Deutlichkeit zu führen. Im ersten spekulativen Teil der
Schrift geht es um die Darstellung der Resultate der Wissenschaftslehre im zweiten um eine
Anweisung zum seligen Leben im engeren Sinne.Das Werk bildete für die Zeitgenossen Fichtes die
einzige Möglichkeit einen Einblick in die Resultate der späten Wissenschaftslehre zu gewinnen
und hatte am Anfang des 20. Jahrhunderts auch einen besonderen Einfluss auf die Entwicklung der
protestantischen Theologie.