Nach der verdienstvollen Edition des Traktats »De intellectu et intelligibili« durch Burkhard
Mojsisch (PhB 322) legt Matthias Scherbaum nun den zweiten Traktat »De visione beatifica« der
Intellekttheorie des Dietrich von Freiberg vor. Vor allem durch die Forschungen von Kurt Flasch
und Burkhard Mojsisch ist deutlich geworden dass Dietrich von Freiberg nicht nur auf die
Geschichte der spätmittelalterlichen Philosophie und Theologie maßgeblich eingewirkt sondern
einen neuen modernen Begriff des Bewusstseins geprägt hat der bis Kant und Fichte unerreicht
blieb. Der tätige Intellekt des Menschen der in diesem Traktat im Mittelpunkt des Interesses
steht soll erkannt werden als immerwährende Tätigkeit als aktive Identität von Wissen und
Gewusstem als Urbild des Seienden als Seiendem dem das Seiende in seinem gesamten Umfang
aktuell gegenwärtig ist. Die Implikationen dieser Unterscheidung entwickelt Dietrich
systematisch bis hin zu der nicht mehr mittelalterlichen Konsequenz dass der menschliche
Intellekt die Prinzipien der Naturdinge aus sich heraus konstituiert. Damit vollzieht Dietrich
auf höchstem argumentativen Niveau eine Revision der mittelalterlichen Philosophie: Der moderne
Begriff einer nicht bloß empirischen Subjektivität tritt an die Stelle die in der
aristotelischen Tradition der Substanz zukam.