Wie kommt es dass zwei Besucherinnen einer Mahler-Symphonie die gleichen Akkorde Harmonien
und Melodien hören aber in jenen einmal Dissonanz und Langeweile bzw. Schönheit oder
Erhabenheit entdecken? Unter Rückgriff auf welche »Fakten« streiten die jeweiligen Rezipienten
bedeutungsgeladener Phänomene? Und wie entstehen die propositionalen Wahrnehmungsebenen auf
deren Grundlage sich Wert und Bedeutung also alles ästhetisch wie ethisch Relevante zeigt? Wie
also entdecken wir Bedeutungen Wertvolles in der Welt? Diese Untersuchung fragt nach den
Bedingungen gehaltvoller normativer Erfahrungen. Sie behauptet unter Rückgriff auf Denkmotive
John McDowells dass das verstehende Erkennen von Gutem und Schlechtem das Ergebnis einer in
Lebenswelt situierten Wahrnehmungsschule ist deren Besuch auch der Frage nach Existenz und
Objektivität eben jener Phänomene vorgeschaltet sein muss. Der Grund hierfür liegt in der
Genese moralischer Gewissheiten innerhalb einer konkreten kulturellen Praxis: Hier im Alltag
finden sie Anwendung bewähren sich oder werden aktualisiert und verworfen. Unser moralisches
Bewusstsein konstituiert sich also weniger durch notwendige Fakten die wir lernen als
vielmehr durch Erfahrungen die wir machen. Dies stellt die institutionalisierte akademische
Ethik vor Herausforderungen.