Ludwig Wittgenstein gilt als 'der' Sprachphilosoph. Mit dem Tractatus logico-philosophicus und
den Philosophischen Untersuchungen hat er die entscheidenden Texte verfasst die den
'linguistic turn' der modernen Philosophie begründen. Dass sich die beiden Ansätze eklatant
widersprechen ist oft bemerkt und diskutiert worden. Nicht aber dass Wittgenstein in dieser
systemimmanenten Konkurrenz mehr als ein innerphilosophisches Problem verhandelt. Tatsächlich
muss man seine philosophische Entwicklung 'auch' als eine Auseinandersetzung mit seiner eigenen
Lebensgeschichte begreifen. Dabei spielt eine wichtige Rolle dass Wittgenstein erst mit vier
Jahren zu sprechen begann und offenkundig eine autistische Kindheitsperiode durchlief die sich
später zum Bild einer postautistischen Persönlichkeit entwickelte. Seine teilweise bizarren
Verhaltensweisen sind oft genug anekdotisch berichtet worden. Eine - verständliche - Vorsicht
gegenüber psychologischen Ableitungen hat dazu geführt dass die Spuren die auf einen engen
Zusammenhang zwischen seinem lebensgeschichtlichen Schicksal und seinem Denken verweisen nicht
verfolgt wurden. Tatsächlich erschließt sich seine Philosophie in neuer und überraschender
Weise wenn man sie als lebensgeschichtliche Selbstreflexion versteht.