»Faust ausgelesen« notierte Goethe wenige Wochen vor seinem Tod. Für die Leserschaft ist der
Faust niemals ausgelesen. Denn Goethes Faust-Projekt (vom Urfaust über Faust I bis zu Faust II)
gehört zu jenen Klassikern der Weltliteratur die aus gutem Grund gerne gelesen in Schule und
Hochschule intensiv studiert und auf den Theatern leidenschaftlich gespielt werden. Dieses Buch
bietet dazu keinen Stellenkommentar der sich in den Mäandern der Worterklärungen verliert
sondern ist ein Szenenkommentar der die einzelne Szene im Zusammenhang mit dem Ganzen des
Faust-Projekts liest und in einen literatur- und kulturhistorischen Kontext einbettet. Die
erste Sichtung betrifft das Thema Klassizität durch Einschüchterung und diskutiert es unter
anderem mit Brecht. Die zweite Sichtung lenkt die Aufmerksamkeit auf die Geschichte
unterschiedlicher Texte über Faust von der Historia (1587) bis zu Rauschs Faust-Roman (2019)
der Weg führt unter anderem über Lessings Faust-Pläne (1759) Maler Müllers (1776) und Lenz'
Faust-Fragmente (1777) Ludwig Tiecks Anti-Faust (1801) Georg Heyms Faust-Fragment (1911)
Manfred Karges Faust (1996) und Christiane Neudeckers Roman Der Gott der Stadt (2019). Die
dritte Sichtung rückt Goethes Faust I als Hauptteil des Buchs in den Mittelpunkt und eröffnet
Ausblicke auf Faust II. Die vierte Sichtung widmet sich unter anderem dem postdramatischen
Coverdrama Faust von Werner Schwab (1992) und Elfriede Jelineks Sekundärdrama FaustIn and out
(2012). Und obwohl viel über Goethes Faust I geschrieben wurde werden in diesem Buch immer
wieder neue Zusammenhänge ausgeleuchtet und bislang übersehene Spuren verfolgt. So kann
beispielsweise die Würdigung der kulturgeschichtlichen Bedeutung des Pudels erklären weshalb
Mephistopheles als Pudel erscheint überlesene Kant-Anspielungen im Text erlauben eine neue
philosophiegeschichtliche Teillektüre die Symbolkraft der Waldhöhle und die Bedeutung des
platonischen Höhlengleichnisses werden miteinander verknüpft dem Homunculus gilt eine
literaturgeschichtliche Querlektüre neue Hinweise auf Goethes Jugendfreund Heinrich Leopold
Wagner lassen sich erkennen und vieles mehr.