Im Kontext der Kreuzzugsbewegung etablierten sich ab dem ausgehenden 12. Jahrhundert im
deutschen Kulturraum mittelhochdeutsche lyrische Texte die auf dieses historische bzw.
klerikale Phänomen Bezug nehmen. Sie entwickeln hierbei ein im Minnesang bereits fest
etabliertes Motiv den Abschied von der geliebten Herrin des Sängers zum Kreuzzugsabschied
weiter. Hierdurch geraten zwei Dienstverpflichtungen in Konkurrenz zueinander: der im Minnesang
absolut gesetzte Minnedienst gegenüber der Dame und die aus klerikaler Perspektive ebenso
verbindliche Verpflichtung des Kreuzfahrers zum Dienst für Gott. Die Untersuchung prüft durch
welche sprachlichen Verweisstrukturen die Modifikation vom Minne- zum Kreuzzugsabschied in den
Liedern umgesetzt wird und ob hierdurch tatsächlich ein signifikant neuer Liedtyp gar eine
eigene Gattung entsteht wie es in der Minnesangforschung gemeinhin angenommen wird. Zudem
werden traditionelle Annahmen der Forschung auf welche konkreten Kreuzzugsereignisse sich die
jeweiligen Lieder vermeintlich beziehen kritisch hinterfragt. Ferner systematisiert die
Untersuchung die klerikalen Argumente welche in den Texten gegen Minnemotive abgewogen werden
und arbeitet schließlich die in den Kreuzzugsliedern entwickelten unterschiedlichen
Lösungsstrategien für die dilemmatische Grundsituation der Lieder heraus. Bemerkenswert ist
hierbei die bisweilen kritische Distanznahme der Kreuzfahrer-Rollen im Text die fast nie
bereit sind der Minne zu Gunsten des Kreuzzugs endgültig zu entsagen.