Bedeutende Autoren der Renaissance haben die aristotelisch-scholastische Kette des Seins durch
Rückgriff auf (neu-)platonische hermetische und mystische Traditionen zu einer magischen
Liebeskette umgeformt. Diese ging von Gott aus der seine Schöpfung und den Menschen als sein
Ebenbild liebte vernetzte alles Lebendige vom Himmel bis zur Erde und führte in magischer
Attraktion zu Gott zurück. Trotz kirchlicher Unterdrückung faszinierte dieses Weltbild auch
zahlreiche Autoren verschiedener Disziplinen im protestantischen Deutschland der Frühen
Neuzeit. Während die Kette des Seins in der Aufklärung von den neuen mechanistischen
Naturwissenschaften als Paradigma vereinnahmt wurde hielten die Anhänger des alternativen
Liebeskosmos auch im Blick auf das unendliche ¿Weltgebäude¿ an der Liebeskette als vitaler -
bei Herder und Goethe auch spinozistischer - (All-)Natur fest. In der Schluss-Szene des
magischen Faust II 'zieht' die Liebeskette Faust und Gretchen ins ewige Reich der Liebe 'hinan'
und Goethe den Vorhang vor einer von anspruchsvoller Magie mitgeprägten Epoche zu. In der
aktuellen Klimakrise bietet sich mit dem Liebes-Kosmos eine von der technokratischen Moderne
verdrängte Tradition empathischer Naturbeziehung als denk-würdiges Erbe wieder an.