In Zeiten da sich auch die zeitgenössische Kunstkritik häufig auf name dropping und die
beliebte Marketingstrategie des branding reduziert sind Erörterungen einzelner Werke von
besonderer Wichtigkeit. Der Schweizer Kunsthistoriker Dieter Koepplin legt hier eine solche
Arbeit über die im Kunstmuseum Basel aufbewahrte Skulptur Schneefall von Joseph Beuys vor.
Schneefall aus dem Jahr 1965 ist eine der wenigen Skulpturen die Beuys separat als
Einzelstück sozusagen in die Öffentlichkeit entlassen hat. Das kann als Zeichen einer
besonderen Qualität und Stärke des Objekts selbst gelesen werden. Schneefall besteht aus kargen
Materialien genau genommen aus drei Stämmen abgenadelter und entzweigter Weihnachtsbäume und
einem Stapel rechteckig zugeschnittener Filzmatten. Beide Teile belegen künstlerisch die Nähe
von Beuys zu Minimal Art und Arte Povera. Darüber hinaus thematisiert Schneefall aber speziell
die Beuys sche plastische Theorie von Wärme und Kälte sowie den Isolationscharakter von Filz im
Hinblick auf Temperatur ebenso wie auf Klang. Was formal gesehen in der reduzierten Formsprache
eines Piktogramms oder eines Verkehrszeichens daherkommt wandelt der Künstler durch den
speziellen Charakter der gewählten Materialien in ein Wintermärchen von stiller eindringlicher
Poesie.