Sowohl im staatlichen als auch im kirchlichen Recht können nach Ablauf einer bestimmten Zeit
Straftaten in der Regel nicht mehr verfolgt und Schadensersatzforderungen nicht mehr erhoben
werden. Gerade die erst nach Jahrzehnten ans Licht kommenden Missbrauchsfälle zeigen jedoch ein
gewisses in Praxis und Theorie empfundenes Ungenügen bei der Auslegung und Anwendung der
geltenden Normen zur Verjährung im kanonischen Strafrecht. Dabei stellt sich eine Vielzahl von
Fragen: Wann ist an der gesetzlichen Verjährungsfrist festzuhalten? In welchen Fällen ist unter
Anwendung der Derogationsvollmacht davon abzusehen? Sollen alle Straftaten die zur Anzeige
gebracht werden eingehend untersucht werden selbst dann wenn die Tatvorwürfe auf Ereignisse
abzielen die 30 40 oder gar 50 Jahre zurückliegen? Ist bei den der Glaubenskongregation
reservierten delicta graviora aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes nunmehr immer mit einer
Sanktionierung an sich verjährter Straftaten zu rechnen? Welche Rolle spielen bei der
Entscheidungsfindung die Forderungen und Wünsche der zuständigen Bischöfe bzw. höheren
Ordensoberen die Erwartung von Opfern sowie der Druck der Öffentlichkeit? Auf theoretischer
Ebene stellte sich zunächst vor allem die Frage nach dem Sinn und Zweck der einschlägigen
strafprozessrechtlichen Verjährungsnormen sowohl im CIC 1983 als auch in den Sondernormen für
die der Glaubenskongregation reservierten Straftaten.