Obschon Rossinis in Paris uraufgeführte Opern Moïse et Pharaon ou Le passage de la Mer Rouge
und Le siège de Corinthe aus den für Neapel geschriebenen Vorläufern Mosè in Egitto und
Maometto II hervorgingen lassen sie sich nicht einfach als entsprechend dem französischen
Geschmack aufpolierte Bearbeitungen abtun. Der Sachverhalt ist komplizierter: Schon in den
neapolitanischen Versionen verband Rossini lokale Traditionen mit Einflüssen aus der
französischen Operntradition und integrierte sie in seinen spezifischen Kompositionsstil. In
den Pariser Versionen der Werke die durchaus als eigenständige Neufassungen verstanden werden
müssen trieb Rossini die Französisierung weiter voran gleichzeitig flößte er hier wie auch in
seinem für Paris neu geschriebenen Guillaume Tell der französischen Oper als solcher auf der
Grundlage der italienischen Schule neues Blut ein und bereitete damit den Boden für die Gattung
der Grand Opéra. Die vorliegende Studie untersucht basierend auf zahlreichen
musikalisch-dramaturgischen Detailanalysen nicht nur die strukturellen Unterschiede zwischen
Mosè in Egitto und Maometto II einerseits sowie ihren französischen Neufassungen andererseits.
Vielmehr erlaubt die dezidiert hermeneutische Lesart der Partituren auch Rückschlüsse auf die
in den einzelnen Werken vermittelte Botschaft. In den jeweiligen zeitgeschichtlichen und
gesellschaftspolitischen Kontext gerückt geben die behandelten Opern den Blick frei auf
Rossinis gewandelte Weltsicht: von einer geradezu optimistisch-aufklärerischen Haltung in den
patriotisch gefärbten Neapler Werken hin zu einem radikalen Geschichtspessimismus in seinen
Pariser Opern.