1951 wurde der junge Schriftsteller Horst Bienek in Ostberlin verhaftet und wegen angeblicher
Tätigkeit für den amerikanischen Geheimdienst zu 20 Jahren Arbeitslager verurteilt. Etwa drei
Jahre verbrachte er in Workuta nördlich des Polarkreises bis er 1955 nach Westdeutschland
entlassen wurde. Schon sehr früh verarbeitete er diese existenzielle Erfahrung in seinen Werken
etwa in »Traumbuch eines Gefangenen« (1957) oder im Roman »Die Zelle« (1968).Bereits von der
AIDS-Krankheit gezeichnet hat Bienek kurz vor seinem Tod seine Erinnerungen an Workuta in
szenischen Rückblicken aufgezeichnet. Darin beschreibt er die lange Untersuchungshaft mit
unzähligen Verhören und seine Verurteilung. Ebenso schildert er die lange Reise in den Ural und
vor allem die unmenschlichen Verhältnisse im Arbeitslager. Bienek starb 1990 ohne seine
Aufzeichnungen abgeschlossen zu haben.»(...) Es war still im Saal. Keiner wagte weiter zu
sprechen. Nun stand der Mann doch auf. Er sagte: Sie haben viele Bücher geschrieben haben wir
gehört. Warum haben Sie nicht über Workuta geschrieben?Ich schwieg. Ich wußte nicht zu
antworten. Diese Frage hatte mir auch noch keiner gestellt. Ich habe in vielen Städten auch im
Ausland aus der Zelle gelesen und die Zuhörer sagten manchmal wie schrecklich wo haben Sie
diese Zelle erlebt und wie haben Sie das überstanden. Aber nach Workuta hat bisher keiner
gefragt.Ich bin nach Haus gefahren. Ich habe mich an den Schreibtisch gesetzt. Es waren 35
Jahre seitdem vergangen. Und seit 35 Jahren war mir das nicht mehr so nahe gewesen.Ja jetzt
war es vor mir als sei es erst gestern geschehen.Ich wußte jetzt muß ich darüber schreiben.«