Heinrich Detering und Yuan Tan untersuchen Goethes Porträtgalerie von vier »zärtlichen
chinesischen Fräulein« einen kleinen Zyklus von großem Gewicht. Goethes Proklamation einer
anbrechenden »Weltliteratur« im Jahr 1827 steht im Zeichen Chinas. Aus literarischen
Begegnungen mit der Fremdheit dieser Kultur unternimmt er erste Versuche einer eigenen
dichterischen Anverwandlung. Bereits vor den »Chinesisch-deutschen Jahres- und Tageszeiten«
seinem letzten großen lyrischen Zyklus entsteht so ein erster und kleinerer Zyklus von fünf
Gedichten über chinesische Dichterinnen. Da Goethe diese Texte als Übersetzungen ausgibt
obwohl es sich um freie Nach- und Neudichtungen handelt sind sie in ihrer kulturellen
Bedeutung und ihrem literarischen Rang noch immer zu entdecken. Zu ihrer Versuchsanordnung
gehört das Spiel mit östlichen und westlichen Motiven ebenso wie die Neugier auf die
Beziehungen von Poesie und Weiblichkeit. Heinrich Detering und Yuan Tan machen die
verschlungenen Wege sichtbar auf denen Bilder und Verse der »chinesischen Fräulein« von Peking
nach Weimar gelangten und schildern wie der alte Goethe in chinesisch-europäischen
Rollenspielen noch einmal aufbricht in literarisches Neuland.