Die Entnazifizierung neu erzählt - ein genauer Blick auf die individuelle Auseinandersetzung
der Deutschen mit ihrer NS-Vergangenheit.Über die Entnazifizierung scheint das Urteil längst
gesprochen: In Öffentlichkeit und Forschung gilt sie als missglückter Versuch einer frühen
Vergangenheitsbewältigung der vor allem an Täuschung und Vertuschung durch die betroffenen
Deutschen scheiterte. Hanne Leßau zeigt warum diese Einschätzung zu kurz greift. Gestützt auf
Tagebücher Notizzettel Briefe und Zeitungsartikel sowie auf die Verfahrensakten macht sie
eindrücklich sichtbar dass die politische Überprüfung eine intensivere und ernsthaftere
Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit im Nationalsozialismus anstieß als wir heute
vermuten. Ihr genauer Blick auf das Agieren der Deutschen in den komplexen Prüfbürokratien legt
frei dass viele versuchten ohne Schaden durch die Entnazifizierung zu kommen. Dabei
entwickelten die zu Prüfenden neue Deutungen der eigenen NS-Vergangenheit die für sie selbst
ebenso glaubhaft sein mussten wie für andere. Ein erhellender Blick auf die Entnazifizierung
und das Verhalten der Deutschen in den ersten Nachkriegsjahren mit dem sich zentrale Fragen
nach dem Übergang von der NS-Diktatur zur Bundesrepublik neu stellen.