Ein Plädoyer für die Anerkennung einer vergangenheitssensiblen Ambiguitätstoleranz.Kollektives
Erinnern ist Vergangenheitsbearbeitung um einer gemeinsamen Zukunft wegen. Die aktuelle
erinnerungspolitische Debatte geht davon aus dass fragile und heterogene Gesellschaften ein
Bedürfnis nach sinnstiftenden Großerzählungen haben. Im Begriff des kollektiven oder
kulturellen Gedächtnisses sollen daher Wissensressourcen Bilder und Narrative den Zusammenhalt
der »geglaubten Gemeinschaft« (Max Weber) sichern. Bestehende Verunsicherungen und Ambiguitäten
werden durch eine Politik der Erinnerungs- und Konsenssteuerung überbrückt.Im Gegensatz dazu
zielen die Beiträge dieses Bandes darauf dass gegenwärtige Gesellschaften den pluralen
Erinnerungsfeldern den diversen Erinnerungsbedürfnissen und den damit einhergehenden
Deutungskonflikten durch Praktiken der Ambiguitätstoleranz (Thomas Bauer) begegnen können.
Ambiguitätstoleranz kann als Kompetenz verstanden werden Weltanschauungen und Vorstellungen
des gelingenden Lebens zu vergleichen und daraus neue Handlungsoptionen abzuleiten. Die daran
geknüpfte Perspektivenübernahme soll die Menschen befähigen mit kulturellen Differenzen und
konkurrierenden Erzählungen umzugehen und alternative Zukunftsszenarien zu entwerfen.