Die Verweigerung und schließlich die Erlernung von Empathie rücken Funktionen des Zuschauens in
den Mittelpunkt des »King Lear« - und seiner Rezeption.Mit diesem Buch entwirft Mathias Mayer
eine neue Sicht auf Shakespeares dunkelste Tragödie in der es die Funktion einer
Zuschauerrolle zu entdecken gilt: Das Publikum bekommt Vorgänge zu sehen die in raffinierter
Weise vom Zuschauen handeln von Beobachtung und Teilnahme. Gewalt Mitleid und Versöhnung
werden auf der Bühne gezeigt aber auch gesehen und kommentiert. Dabei entwickelt sich ein
Szenarium von der verweigerten zur gelernten Empathie. Die ästhetische Reaktion gewinnt daraus
ein ethisches Profil.Shakespeare reagiert auf den Vorwurf vieler Theaterkritiker seiner Zeit
gerade die Tragödie laufe Gefahr das Publikum durch seine Sympathielenkung zu fesseln und zu
schwächen. Er erschafft im Tragödienverlauf immer wieder Rollen eines Zuschauers der einer
Logik der Einfühlung - im Guten wie im Schlechten - folgt. Sie erweist sich - in den
Heideszenen oder der Versöhnung mit Cordelia - als so zwingend dass diese Einfühlung über die
Katastrophe hinaus die reichhaltige »Lear«-Rezeption (von Balzac bis Beckett) prägt.