Die Vermessung von Kunstwerken gehörte zu den wichtigsten Methoden der »Rassenwissenschaften«
In der rassistischen Bildpropaganda völkischer und nationalsozialistischer Ideologen fallen die
vielen Abbildungen von antiken Kunstwerken auf. Nicht nur griechische Götter- und Heroenstatuen
sondern auch Reliefs und Malereien aus Ägypten und dem Alten Orient wurden anthropometrisch
vermessen und mit Fotografien moderner Populationen in Beziehung gesetzt. Dabei galten die
ägyptischen Bildwerke in dieser Hinsicht als besonders authentisch präzise und verlässlich.
Doch hier handelte es sich keineswegs nur um einen pseudowissenschaftlichen Irrweg des
völkischen Rassismus. Die anthropologische Lektüre antiker Bildwerke seit dem späten 18.
Jahrhundert war eine etablierte Praxis sowohl in den Rassen- als auch in den Kunst- und
Altertumswissenschaften. Auf diese Weise schien es nicht nur möglich kollektive historische
Akteure (»Völker«) anthropologisch zu klassifizieren sondern auch die Konstanz
anthropologischer Typen durch die Zeit hindurch aufzuzeigen und die angebliche
wissenschaftliche Legitimität des Rassenkonzepts zu untermauen. Felix Wiedemann untersucht
Aufkommen und Verschwinden dieser Methode vor dem Hintergrund ihres politischen kulturellen
und epistemischen Kontextes.