75 Jahre nach seiner Verabschiedung ist das Grundgesetz so beliebt wie nie zuvor. Wie aber
entstehen diese Gefühle und welche Bindungskraft entfalten sie? Ein Journalist in
Sachsen-Anhalt aufgewachsen erinnert sich an den Trotz mit dem er der DDR-Verfassung von 1968
begegnete. Im gleichen Jahr protestierten westlich der Elbe Zehntausende gegen die Einführung
einer Notstandsverfassung in der sie einen Angriff auf den guten Geist des Grundgesetzes
erkannten. 1990 enttäuschte das wiedervereinigte Land viele seiner Bürgerinnen und Bürger als
nicht über eine gesamtdeutsche Verfassung beraten und abgestimmt wurde. Drei Jahrzehnte später
stellen Prominente ebenso wie Schülerinnen und Schüler ihre »Liebeserklärungen« an das
Grundgesetz ins Netz. Verfassungen lösen Gefühle aus nicht erst seit 1949 und nicht nur in
Deutschland. Welcher Art diese Gefühle sind entscheidet über ihre Bindungskraft. Aber wie
entstehen Verfassungsgefühle? Welche Hoffnungen und Erwartungen welche Erfahrungen und
Gefährdungen prägen sie? Wer hat sie und wer vermisst sie? In diesem Buch beginnt Ute Frevert
mit der revolutionären Reichsverfassung von 1848 49 und dem Herzblut das Demokraten und
Liberale in sie investierten. Sie prüft die Behauptung eines zeitgenössischen Staatsrechtlers
wonach die Verfassung von 1871 dem »Volksgefühl« lieb und teuer gewesen sei und beschreibt die
Bemühungen der Weimarer Republik den Stolz der Bevölkerung auf die »freieste Verfassung der
Welt« zu wecken. Und sie analysiert die wechselnden Verfassungsgefühle nach 1949: die
Verwandlung von Desinteresse in Akzeptanz und Liebe im Westen die Nachwirkungen plebiszitärer
Zustimmung im Osten.